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Die Los Angeles Dodgers greifen nach dem nächsten Titel – dank Finanztricks hat das Baseball-Team den teuersten Kader der amerikanischen Sportgeschichte

Die Los Angeles Dodgers greifen nach dem nächsten Titel – dank Finanztricks hat das Baseball-Team den teuersten Kader der amerikanischen Sportgeschichte

Das Kader kostet mehr als eine halbe Milliarde Dollar – der Megastar Shohei Ohtani verdient zurzeit aber nur zwei Millionen. Auf dem Weg zur völligen sportlichen Dominanz bedienen sich die Dodgers windiger Kniffe.

Nicola Berger

Wirtschaftlich und sportlich weit weg von den Konkurrenten: der Superstar Shohei Ohtani.

Jayne Kamin-Oncea / Imagn

Das Vermögen von Hal Steinbrenner wird auf 1,6 Milliarden Dollar geschätzt, er gehört zu einer der reichsten Familien der Welt. Die New York Yankees, eine Geldvermehrungsmaschine, sind im Besitz der Familie Steinbrenner. Das bekannteste Baseball-Team der Welt ist ein kommerzieller Selbstläufer – selbst in Zürich ist es eine Herausforderung, länger als drei Minuten durch die Strassen zu laufen, ohne jemandem in einem Yankees-Baseball-Cap zu begegnen.

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Und doch sagte Steinbrenner vor knapp einem Monat: «Für die meisten von uns Teambesitzern ist es schwierig, das zu tun, was sie machen.»

Sie, das sind die Los Angeles Dodgers, der World-Series-Champion. Der Arbeitgeber des japanischen Megastars Shohei Ohtani, der als erster Baseball-Profi seit Jahrzehnten globale Strahlkraft für sich beanspruchen darf. Die Dodgers leisten sich den teuersten Kader, den der amerikanische Profisport je gesehen hat. Inklusive «luxury tax» – das ist so etwas wie die Antwort der Major League Baseball (MLB) auf den nationalen Finanzausgleich in der Schweiz – kostet das Team mehr als eine halbe Milliarde Dollar. Zum Vergleich: In der National Football League (NFL) liegt die Gehaltsobergrenze bei 280 Millionen, in der NBA bei 154,6 Millionen und in der NHL bei 95,5 Millionen pro Team.

Baseball galt als Auslaufmodell – zu langsam, zu wenig actionreich. Dann kam Shohei Ohtani

Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet ein Baseball-Team alle Grenzen sprengt. Baseball galt als Auslaufmodell, weil die Spiele lange dauern und ein gewisses Flair von den Zuschauenden erfordern – wer sich nicht mit den Nuancen beschäftigen mag, wird sich schnell langweilen. Der Basketball mit seiner eisernen Regel, dass ein Angriff nach 24 Sekunden abgeschlossen sein muss, ist für die Aufmerksamkeitsspanne der Tiktok-Generation viel besser geeignet.

Wie kann es also sein, dass Geld bei den Dodgers keine Rolle mehr spielt? Es liegt nur bedingt daran, dass sie Mark Walter gehören, noch einem Milliardär. Bloomberg schätzt sein Vermögen auf 13 Milliarden Dollar. Der irrwitzige TV-Vertrag, der dem Team über eine Laufzeit von 25 Jahren 8,35 Milliarden garantiert, ist ebenso ein Nebenschauplatz wie der Umstand, dass Ohtani eine Art goldenes Kalb darstellt. Nicht nur sportlich gesehen: Er ist der wertvollste Spieler der Liga und schlug unlängst in einem Play-off-Spiel drei Home-Runs.

Dank ihm sprudeln die Werbemillionen – auch in Asien. Drei Jahre in Folge sind von keinem Akteur in der Liga mehr Trikots verkauft worden. Er gehört zu der raren Sorte von Spielern, für die auch Menschen ausserhalb der eigentlichen Baseball-Klientel ins Stadion gehen. Weil sie sich sagen: Ihn muss man einmal im Leben gesehen haben.

Mit Ohtani lassen sich Eintritte verkaufen. Was nicht unwichtig ist, wenn man, wie die MLB-Teams, pro Saison allein in der Qualifikation 81 Heimspiele absolviert.

Vor allem aber dribbeln die Dodgers das System aus, als wären sie Ronaldinho. Ohtani, 31, unterschrieb im Dezember 2023 einen mit 700 Millionen Dollar dotierten Zehnjahresvertrag. Ausbezahlt aber werden ihm für diese Saison gegenwärtig nur zwei Millionen. Ihm kann das egal sein – er verdient alleine mit Werbeverträgen 100 Millionen pro Jahr.

Die Dodgers bedienen sich dieses Tricks bei gleich acht Spielern; zwischen 2028 und 2046 werden für sie 1,05 Milliarden Dollar an verzögerten Lohnzahlungen fällig. Es ist ein vertrauter Mechanismus des amerikanischen Kapitalismus, den Konsum von heute mit Schulden von morgen zu ermöglichen. Aber im Sport ist das Phänomen in diesem Ausmass, in dieser Radikalität neu.

Die Absicht und der Nutzen sind klar: So können sich die Dodgers heute ein besseres, kompetitiveres Team leisten. Und die komplexen Vertragsstrukturen helfen dabei, die «luxury tax» zu minimieren.

Der Sozialismus im amerikanischen Sport verhinderte, dass man Titel einfach kaufen konnte. Damit ist es nun vorbei

Das nordamerikanische Sportsystem ist ja, grosse Ironie, sozialistisch aufgebaut. Das Ideal der Parität steht über allem; die schlechtesten Teams dürfen nach der Saison zuerst die besten Talente auswählen. Die Salärobergrenze gilt für alle. Man kann sich Titel nicht einfach kaufen.

Im Baseball aber ist es 2025 vorbei mit der Chancengleichheit. In der ersten Play-off-Runde trafen die Dodgers auf die Cincinnati Reds, deren Salärsumme bei 121 Millionen Dollar lag. «Das spielt keine Rolle, die Chemie im Team ist wichtiger», sagte der Reds-Shortstop Elly De La Cruz vor der Serie tapfer. Kurz danach schieden die Reds ohne Sieg aus.

In der World Series treffen die Dodgers ab Freitagnacht auf die Toronto Blue Jays. Über die Favoritenrolle gibt es keine zwei Meinungen. Es wäre eine Sensation, fände Toronto einen Weg, dieses Luxus-Ensemble zu düpieren. Die Dodgers haben neun ihrer zehn Play-off-Spiele gewonnen. Doch ein bisschen wirkt es so, als würde sich Hybris ausbreiten. «Lasst uns vier weitere Spiele gewinnen und den Baseball wirklich ruinieren», sagte der Dodgers-Manager Dave Roberts. Es war seine konfrontative Replik auf die sich mehrenden Stimmen, wonach die Finanzjongleure aus Kalifornien mit ihrem Gebaren den Sport ruinierten.

Wenn Amerika etwas liebt, dann einen Underdog, so war das im Sport schon immer. Selbst wenn er aus Kanada stammt.

nzz.ch

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