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«Alles lag in den Händen der Camorra»: Italienischer Serie-B-Klub steht wegen Mafia-Verdacht unter Zwangsverwaltung

«Alles lag in den Händen der Camorra»: Italienischer Serie-B-Klub steht wegen Mafia-Verdacht unter Zwangsverwaltung

Juve Stabia soll unter dem Einfluss der Mafia stehen. Erstmals gerät damit ein Klub der zweiten italienischen Liga ins Visier der Ermittler.

Max Sprick

Die Mannschaft von Juve Stabia feiert mit ihren Fans einen Sieg im heimischen Stadio Romeo Menti.

Man könnte meinen, es liege gerade ein bisschen Glück im Schatten des Vesuvs. Der Fussballverein Juve Stabia, beheimatet in der Hafenstadt Castellammare di Stabia, weckt dort leise Hoffnungen, um den Aufstieg in die Serie A mitspielen zu können. Nur ein Spiel hat Stabia bislang verloren. Am vergangenen Wochenende gewannen die «Wespen», wie sie sich mit ihren blau-gelb gestreiften Trikots nennen, 2:0 gegen US Avellino. Trotzdem schreibt Stabia unglückliche Schlagzeilen. Denn offenbar mischt die Mafia im Klub mit.

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Juve Stabia ist kurz nach dem Heimsieg gegen Avellino unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Ein «System mafiaähnlicher Einflussnahme auf die wirtschaftlichen Aktivitäten des Klubs» sei bei Ermittlungen aufgedeckt worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. «Die Spieler mussten nur spielen, die Camorra kümmerte sich um den Rest», sagte der zuständige Staatsanwalt Nicola Gratteri an einer Medienkonferenz. «Die Reisen der Mannschaft, die Sicherheit, die Verpflegung, die Verwaltung der Eintrittskarten: Alles lag in den Händen der Camorra.»

Maradona liess sich mit seinen Camorra-Freunden ablichten

Der Calcio und die Mafia, das ist ein ewiges Thema. Man weiss das gerade in Neapel, in dessen Speckgürtel die 60 000-Einwohner-Stadt Castellammare di Stabia liegt. Diego Maradona, der mit dem Ball am Fuss hier zum Gott aufstieg, verband vor aller Augen den Calcio mit der organisierten Kriminalität. Die Mafia belieferte den Fussballgott mit Frauen und Kokain, Maradona liess sich mit seinen Camorra-Freunden ablichten und sich von den Mafiosi wie eine Zirkusattraktion vorführen. Neapel huldigt Maradona dennoch oder gerade deswegen bis heute.

In Stabia huldigten die Tifosi Ende 2024 einem anderen Spieler mit berühmtem Namen. Nach einem Tor gegen Cesena brüllte der Stadionsprecher den Vornamen des Stabia-Torschützen ins Mikrofon, er rief: «Romano» – und die Mehrheit der fast 5000 Zuschauer im Stadio Romeo Menti antwortete lautstark: «Mussolini!» Viele der Fans zeigten den faschistischen römischen Gruss und feierten Romano Floriani Mussolini. Den Torschützen und Urenkel des Duce Benito Mussolini, des italienischen Massenmörders, der mit Adolf Hitler paktierte.

Mussolini junior zog in diesem Sommer weiter und wechselte in die Serie A. Das Scheinwerferlicht der internationalen Medien, die den Vorfall damals mit Schlagzeilen bedacht hatten, zog mit Mussolini mit. Nun aber strahlt es erneut auf die Hafenstadt.

Als «ein Werkzeug der Camorra» betitelt beispielsweise die «New York Times» Juve Stabia. Dies sei «ein Wendepunkt in der Führung dieses Vereins», sagte Michele Di Bari, der Präfekt von Neapel. Juve Stabia müsse wieder auf den Weg der Legalität gebracht werden. In einem ersten Schritt hat Di Bari elf Verbotsverfügungen gegen ebenso viele Unternehmen erlassen, die im wirtschaftlichen Umfeld von Juve Stabia tätig sind. Das berichtete die lokale Zeitung «Il Mattino» am Mittwoch.

Die nun mit Sanktionen belegten Unternehmen sollen im Auftrag des Vereins eine Reihe von Dienstleistungen für die erste Mannschaft erbracht haben. Und sie sollen sich als «durchlässig und gefährdet» durch kriminelle Infiltration erwiesen haben. Überhaupt sei die gesamte Verwaltungsstruktur von Juve Stabia betroffen.

Aufgeflogen seien die mafiösen Strukturen durch eine Kontrolle, die schon im vergangenen Februar stattgefunden habe. Damals ist entdeckt worden, dass eine Person, die mit der Camorra-Gruppierung Imparato in Verbindung stand, für den Sicherheitsdienst bei Juve Stabia zuständig war.

Danach wurde ermittelt. Und entdeckt, dass sogar die Jugendabteilung von Personen geleitet wurde, die der Camorra angehörten. Maurizio Agricola, der Polizeichef von Neapel, sagte, dass dadurch minderjährige Fussballbegeisterte für die Camorra sensibilisiert werden und sie «zu negativen Werten erzogen» werden sollten.

«Wir haben nichts mit dem organisierten Verbrechen zu tun»

Andrea Langella, ein in Neapel bekannter Unternehmer im Chemie- und Pharmasektor, steht Juve Stabia als Präsident vor. Er wies die Vorwürfe in «Il Mattino» von sich und seinem Verein. «Wir haben nichts mit dem organisierten Verbrechen zu tun», sagte Langella der Zeitung. Verdächtige Firmen und Fans würden nun aber aus dem Verein «entfernt».

Die Ermittlungsbehörden bezeichneten Langella, der bis Ende vergangenen Jahres auch Haupteigentümer von Juve Stabia war, zwar als «fern von kriminellen Absichten», aber eben auch als «unschuldig, aber nicht unwissend». Langella selbst geht davon aus, dass Juve Stabia «weder zu einer Strafe oder Geldbusse noch anderen Massnahmen» verurteilt wird.

Die Massnahmen der Zwangsverwaltung sehen zunächst vor, dass der Verein seine sportlichen Aktivitäten fortsetzen darf. Er wird jedoch unter die Aufsicht von Fachleuten gestellt. Laut der Staatsanwaltschaft ist Juve Stabia der bislang erste Verein der Serie B, dem Mafia-Verbindungen vorgeworfen werden. Und insgesamt der dritte Fussballklub in Italien. Auch die beiden Drittligisten Foggia Calcio und der FC Crotone wurden im vergangenen Sommer unter Zwangsverwaltung gestellt. Die Vereine sollten vor hohem «Mafia-Infiltrations-Risiko» bewahrt werden.

nzz.ch

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