«Ich weiss, jetzt ist Honeymoon», sagt der neue FCZ-Trainer Mitchell van der Gaag


Seit bald zwanzig Jahren ist Ancillo Canepa Präsident des FC Zürich. In dieser Zeit hat Canepa der 1. Mannschaft zwanzig verschiedene Trainer anvertraut. Jeder dieser Trainer war eine «absolute Wunschlösung», und das ist auch bei Mitchell van der Gaag so, als der 53-jährige Niederländer am Montag von Canepa und dem Sportchef Milos Malenovic vorgestellt wird. «Mitchell ist unsere absolute Wunschlösung», sagt Canepa. Und doch ist etwas anders als sonst.
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Selbstverständlich sei er bei der Vorstellung immer überzeugt gewesen von jedem seiner Trainer, sagt Canepa. Aber wenn er bis jetzt «zu 99 Prozent Gewissheit» gehabt habe, dann sei er diesmal zu «100 Prozent sicher, dass van der Gaag der richtige Trainer sei, um auf dem eingeschlagenen Weg weiterzumachen». Als Canepa den Namen des neuen Trainers ausspricht, tut er das mit zwei krachenden Ch-Lauten. Van der Gaag lässt ein zufriedenes Lachen über das Gesicht huschen. «Chach», so spricht man den Namen aus.
Dem Tod entgangenVan der Gaag hat sich ein paar Minuten vor dem Beginn der Medienkonferenz auf seinen Stuhl gesetzt und stumm in den prall gefüllten Medienraum geblickt. So, als würde er studieren, was da alles auf ihn zukommen könnte in den nächsten Wochen und Monaten. Später sagt van der Gaag: «Ich weiss, jetzt ist Honeymoon.» Van der Gaag weiss auch, dass jede Zeit der Verliebtheit enden wird. Spätestens, wenn der Alltag beginnt.
Der 53-Jährige hat schon einiges gesehen in seinem Trainerleben. «Schönes, Hässliches, Schlimmes», sagt er. Das Tattoo am rechten Arm ist eine Erinnerung an die Zeit 2013, als er mit dem portugiesischen Klub Belenenses einen Herzstillstand erlitt. Er überlebte. Schon davor litt er unter Herzproblemen. «Ich bin hier», sagt er am Montag auf die Frage, wie es seinem Herz gehe, «ich bin offen, diese Geschichte gehört zu mir».
Nach einer Pause kehrte er zurück in den Trainerberuf, coachte verschiedene Klubs in Holland und arbeitete schliesslich sechs Jahre lang in der Organisation von Ajax Amsterdam, zuletzt als Assistent von Erik ten Hag. Ten Hag nahm seinen Assistenten im Sommer 2022 mit in die Premier League. In der Nacht vor ten Hags Vertragsunterzeichnung bei Manchester United traf van der Gaag bei einem Essen zum ersten Mal Milos Malenovic. So erzählt das der FCZ-Sportchef.
«Er hat nicht viel gesprochen, ich habe mich vor allem mit ten Haag unterhalten», sagt Malenovic. An einem Freitag vor ein paar Wochen bekam van der Gaag in Lissabon eine SMS von Malenovic, am gleichen Abend war der FCZ-Sportchef bei ihm zu Hause. Dann ging es schnell. Nach «drei, vier Stunden intensiven Gesprächen» verabredete man sich in Zürich, am 31. Mai war nach einem weiteren Gespräch mit dem Präsidentenpaar der Zweijahresvertrag auch offiziell unterschrieben.
«Ich als alter Ajax-Fan habe sofort gemerkt, dass Mitchell mit seinem Hintergrund für den offensiven Fussball steht, wie wir ihn auch im FCZ sehen wollen», sagt Canepa. Er habe noch nie eine «qualitativ so hochstehende Präsentation» wie diejenige von van der Gaag erlebt, «das waren nicht einfach ein paar Powerpoint-Folien». Canepa kann das beurteilen, «ich habe schon viele Trainer-Bewerbungen erlebt».
Der Auftrag an den neuen Trainer sieht so aus, dass er weitermachen soll, wie es seit der Übernahme des Sportchefs Malenovic vor anderthalb Jahren angefangen hat: Den FC Zürich neu erfinden, junge Spieler entwickeln, erfolgreich spielen. Das funktioniert bis jetzt noch nicht. Der FCZ verpasste zuletzt die Meisterrunde, Einnahmen aus dem Europacup fehlen, im FCZ-Kader gibt es keinen Spieler, der als einträgliches Transfer-Ziel für einen Klub aus einer grösseren Liga gelten könnte. Der FCZ muss sparen.
Benjamin Mendy bleibt im FCZBenjamin Mendy ist einer der Spieler, die nicht beim Sparen helfen. Der Weltmeister hat noch ein Jahr lang einen Vertrag im FCZ. Seit Mendy im Februar zum FCZ stiess, rumort es nachhaltig. Der Franzose war wegen vielfacher Vergewaltigung angeklagt, wegen fehlender Beweise aber freigesprochen worden. Nicht nur beim weiblichen FCZ-Anhang sorgte die Verpflichtung für Bitterkeit. Sportlich enttäuschte Mendy. Nachdem er sich eine Muskelverletzung geholt und sich danach in der Disco vergnügt hatte, blieb Mendy verschwunden. Jetzt ist er wieder im Kader. «Wir haben besprochen, was nicht gut war», sagt Malenovic, «er muss sich mit Leistung wieder empfehlen.»
Andere Spieler hat man problemlos von der Lohnliste gestrichen. Rodrigo Conceiçao zum Beispiel, die Leihspieler Jean-Philippe Gbamin oder Mounir Chouiar sind weg, für Nikola Katic oder Namanja Tosic soll es Angebote geben. Als Malenovic schliesslich über Daniel Afriyie zu referieren beginnt, fällt ihm Canepa ins Wort. «Afriyie ist auf dem Absprung, ganz einfach. Wir reden nicht über Namen, lasst uns in Ruhe arbeiten.» Es ist heiss und stickig geworden im FCZ-Medienraum, und die Botschaft mit der absoluten Hundert-Prozent-Wunschlösung längst platziert.
nzz.ch