Uli Forte hat es erneut verpasst, ein Team zu entwickeln – aber der Zeitpunkt seiner Freistellung beim FC Winterthur irritiert

Der Tabellenletzte der Super League glaubt nach dem Fehlstart nicht an ein zweites Fussballwunder mit Forte. Die Klubführung sucht einen neuen Trainer – und muss sich selbst hinterfragen.
Benedikt Koller, Fabian Ruch
Andreas Becker / Keystone
Der FC Winterthur hätte das Auswärtsspiel beim Double-Sieger FC Basel am Samstagabend noch viel deutlicher verlieren können, mit dem 0:3 war der Fussballklub gut bedient. Doch die diskussionslose Niederlage der Winterthurer im St.-Jakob-Park war für den Trainer Uli Forte die berühmte zu viel.
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Nach dem desolaten Auftritt analysierten die Klubverantwortlichen die Situation – und sie kamen zu dem Schluss, dass es so nicht weitergehen könne. Am Montagabend gab der FC Winterthur die Freistellung Fortes bekannt; sein Vertrag wäre noch bis im Sommer 2026 gelaufen.
Die triste Bilanz ist nur ein Teil des ProblemsFür den 51-jährigen Zürcher sprach zuletzt nicht mehr viel. Zu inferior verteidigte das Team, es gab keine Erfolgsmomente, aber viel Kritik auch im Klub an Fortes Arbeit: 28 Gegentore und bloss 2 Punkte nach 9 Runden sind eine sehr triste Bilanz – so schlecht war der FC Winterthur selbst im vergangenen Jahr nicht, als der Verein ebenfalls lange Zeit Tabellenletzter war.
Doch die miesen Ergebnisse sind noch nicht einmal der schlimmste Teil des Problems. Die Entscheidungsträger dürften vor allem bemerkt haben, dass in den letzten Partien nichts auf eine Besserung hindeutete.
Nach je 4 Gegentoren gegen Servette und Lugano hatte Forte für die Partie in Basel die Formation verändert, liess mit einer Fünfer-Abwehrkette verteidigen. Die erneute Systemumstellung verunsicherte die Spieler noch stärker, der FCW war in der Defensive sogar noch anfälliger als ohnehin schon. Auch die Fussballer schienen den Glauben an den Trainer verloren zu haben; Forte irritierte sie zunehmend mit taktischen und personellen Wechseln.
Doch was der Trainer auch versuchte, die Trendwende gelang nicht. Oliver Kaiser, der Sportchef des FC Winterthur, sagt: «Wir wollten mit Uli Forte den Turnaround schaffen. Aber in den letzten Wochen haben sich die Zweifel akzentuiert bezüglich System und Taktik. Und wir haben es nicht geschafft, eine gewisse Stabilität in das Mannschaftsgefüge hineinzubekommen.»
Gewiss, Forte hatte schwierige Voraussetzungen zum Saisonstart: viele verletzte Spieler, ein unfertiges Kader, ein grosser Substanzverlust nach den Abgängen der Leistungsträger Christian Gomis, Matteo Di Giusto und Josias Lukembila im Sommer. Aber der Trainer hat es eben auch verpasst, zu beweisen, dass er mehr ist als ein glänzender Motivator. Den hartnäckigen und vielleicht auch ungerechten Ruf, dass sich seine Methoden, Ansprachen und Trainings irgendwann abnützten, ist Forte in Winterthur jedenfalls nicht losgeworden.
Den Trainerposten hatte er am Weihnachtstag 2024 von Ognjen Zaric übernommen. Noch Anfang April lag der charmante Kultklub in der Meisterschaft 7 Punkte und mehr hinter der Konkurrenz. Dank einem fulminanten und kaum für möglich gehaltenen Endspurt gelang dem FC Winterthur unter Forte noch der Klassenerhalt.
Auch die Spieler waren von Uli Forte nicht mehr überzeugtDie mirakulöse Rettung gab dem Trainer Kredit bei der Klubführung. Nun war dieser nach einem Viertel der Saison bereits aufgebraucht. Weil Forte es ein weiteres Mal verpasst hat, ein Team taktisch weiterzubringen. Der Sportchef Kaiser sagt: «Uns bereitete die Entwicklung der Mannschaft in den letzten Wochen Sorgen. Als FC Winterthur kann man in Basel verlieren. Aber es geht um das Gesamtbild. Wie wir uns zuletzt präsentiert haben, gab uns zu denken.»
Der Klub setzt auf frische Impulse und darauf, dass sich die Mannschaft unter einem unbelasteten Trainer aus der Negativspirale befreien kann. Kaiser sagt, die Niederlagenserie habe «einen Einfluss auf das Innenleben des Teams» gehabt. Seine Worte deuten an, dass der Widerstand gegen Forte und dessen Konzepte auch in der Garderobe lauter wurde, wie man aus verschiedenen Kreisen hört. Zudem ist das qualitativ dürftige Kader nach Verpflichtungen im August mittlerweile allzu breit – was ebenfalls zu beträchtlicher Unruhe und Unzufriedenheit führte.
Dass der FCW nicht an ein zweites Winterthurer Fussballwunder mit Uli Forte glaubt, ist angesichts der Auflösungserscheinungen des Teams in den letzten Wochen wenig erstaunlich. Seltsam ist allerdings der Zeitpunkt der Entlassung, zumal es im Verein Personen gab, die Fortes Absetzung schon früher gefordert hatten. Doch die Besitzer waren zu diesem Schritt noch nicht bereit gewesen.
Wäre Forte nach dem 2:4 gegen Lugano entlassen worden, hätte der Klub während der Länderspielpause deutlich mehr Zeit gehabt, einen Nachfolger zu suchen, der die Mannschaft stabilisieren kann. Der FC Winterthur wirkt in der Super League zuweilen auch abseits des Rasens zu zögerlich – dieser Eindruck hat sich erneut bestätigt.
Der neue Trainer soll ein Schweizer sein, der die Liga kenntUnd mit wem wollen die Winterthurer nun die komplizierte Mission Ligaerhalt angehen? Interimistisch übernehmen die Assistenztrainer Luigi De Donno und Dario Zuffi, der Vater des Mittelfeldspielers Luca Zuffi. Laut dem Sportchef Kaiser soll der neue Coach möglichst bald gefunden sein. Er sagt: «Wenn man in eine solche Situation hineingerät, spielt irgendwann der Kopf eine wichtige Rolle. Dem neuen Trainer steht viel Arbeit im mentalen Bereich bevor. Er muss hinbekommen, dass die Mannschaft wieder geschlossen auftritt.»
Das Anforderungsprofil des neuen Trainers dürfte auf der Hand liegen: Es sollte möglichst ein Schweizer sein, der erschwinglich ist, die Liga à fond kennt, sofort funktioniert und «eine neue Dynamik in der Mannschaft entfachen» kann, wie Kaiser sagt.
Für den Posten infrage kommen dürfte demnach zum Beispiel Marco Schällibaum, der vor rund einem Jahr bei GC entlassen wurde. Oder Alessandro Mangiarratti, der bis November 2024 Trainer von Yverdon war und beim Heimspiel des FC Winterthur gegen Lugano auf der Tribüne gesichtet wurde. Oder der im August bei Servette entlassene Thomas Häberli. Und natürlich Patrick Rahmen, der die Winterthurer bereits in der Saison 2023/2024 erfolgreich trainiert hatte – und der bei vielen Spielern sofort positive Gefühle auslösen würde. Rahmen steht noch auf der Lohnliste der Young Boys, bei denen er vor einem Jahr freigestellt wurde.
Das Anforderungsprofil ebenfalls erfüllen würden etwa Ciriaco Sforza, Martin Andermatt oder Alex Frei, die alle kaum abgeneigt wären, beim FCW einzusteigen. Gegen sie spricht allerdings unter anderem, dass keiner von ihnen nachgewiesen hat, einem Team sofort aus einer Krise helfen zu können. Doch genau das benötigt der FC Winterthur.
nzz.ch