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Über Wasser | Treiben lassen in Bratislava

Über Wasser | Treiben lassen in Bratislava
Bestechend schön, aber nicht zum Schwimmen geeignet: die Donau in Bratislava

Die Sonne hat es geschafft. Aus milchig weißen Wolken sticht sie in dem Moment hervor, als ich die Wiese erreicht habe. Hinter der Wiese am Stadtrand glitzert der See. Ich entere eine klapprige Umkleidekabine und laufe wenig später über winzige Kieselsteine ein paar Meter ins Wasser, lasse mich fallen.

Wir sind eine Gruppe Fußballfreunde, die Spiele der U-21-Europameisterschaft in der Slowakei besucht. Mein erster Gang in Bratislava führt mich über romantische Treppenstiegen hinauf zum Slavín, dem größten Kriegerdenkmal Mitteleuropas. Alles blüht und duftet, Straßen und Plätze sind außergewöhnlich gepflegt und bepflanzt. Nirgends eine Katze. Die sowjetische Gräberstätte mit Ehrenmal, Obelisk und dem Soldaten obendrauf bildet eine gigantische Anlage, die auch kritisch empfunden wird. Der Slavín überragt Stadt und Burg, das UFO auf der Donaubrücke, Hochhäuser und die umgedrehte Pyramide des Radiogebäudes. Bratislava wuchert weit, auf dem nächsten Berg ragt der Fernsehturm in aufziehende Wolken.

Schnell baden gehen. Ich glaubte, man könne in der Donau schwimmen – am Flussufer verstehe ich. An der Stelle, wo der Stadtplan ein Badeschiff versprach, ist nichts und der in Mauern eingezwängte Fluss strömt gewaltig. Es nieselt, der Himmel wird schwarz. Zeit, sich zum Hauptbahnhof zurückzuziehen, hinter dem wir kleine Apartments in einer Hanganlage gefunden haben. An der Rezeption liegen Ohrstöpsel aus, ohne sie übersteht man keine Nacht. Züge kreischen ununterbrochen am Bett vorbei, bremsen oder hupen.

Wir besuchen Spiele und stromern herum, da sind der evangelische Friedhof mit einsinkenden Grabsteinen, tunnelartige Treppen, Stadtmauer, Altstadt, Habsburger Flair. Parlament, Parks, Touristen, Bettler, Menschen mit Hunden in Handtaschenformat. Urige Kneipen, ein Katzencafé, das zurückgelassene Tiere aus der Ukraine adoptiert, die Nationalgalerie und wieder der Fluss. Einen ganzen Tag regnet es.

Ich muss ins Wasser. Mit der Linie 4 geht’s an den nordöstlichen Stadtrand, am alten Stadion mit seinen Coca-Cola-Lichtmasten vorbei, einem Dante-Food-Imbiss, an Wohnsiedlungen, kaputter Industrie, Autohäusern. Dann Hotels und Shopping-Paläste, bewaldete Berge im Hintergrund. An der Endhaltehaltestelle Zlaté Piesky führt eine geschwungene Brücke über die Autobahn zum See. In Richtung Stadt grüßt der Fernsehturm über einen Berg, die Brücke endet in weichem Bogen auf einer Wiese vor dem Bad, gekoppelt mit Campingplatz.

Das Bad öffnet um neun Uhr, zwei Mädels lümmeln im Kassenhäuschen hinter einer gelb bemalten Betonpforte, ein Wachmann döst auf seinem Stuhl. Ich zahle sechs Euro, schrecke Amseln und Buntspecht auf, blinzele in die durchbrechende Sonne. Saftig grünes Gras, Tau, Gänseblümchen. Die zahlreichen Buden und Cafés sind geschlossen, Liegestühle verwaist. Drei Jungs bewerfen Enten mit Steinen, ein Bademeister daddelt am Handy. Die Temperaturen steigen minütlich, das weiche Wasser des hellgrünen Sees ist wärmer als die Berliner Freibäder. Ich bin allein im See und schwimme los, ein wildes Jauchzen im Bauch.

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