Leadership-Experte Wolfgang Jenewein: Das Hansi-Rezept: Was hinter den spektakulären Barca-Erfolgen steckt

Hansi Flick hat mit dem irren Clasico-Sieg gegen Real Madrid sein nächstes Meisterstück geschaffen. Der Leadership-Experte Wolfgang Jenewein erklärt den Führungsstil und das Erfolgsrezept des Ex-DFB-Trainers.
Jenewein coacht unter anderem Spitzensportler wie den norwegischen Ski-Superstar Alexander Aamodt Kilde. Auch mit Barcelona- und Ex-DFB-Trainer Hansi Flick tauschte er sich dazu aus, wie gute Führung aussieht. Den Umgang mit Flick in Deutschland kritisierte Jenewein in der Vergangenheit wiederholt. So fehle der Respekt und die Anerkennung für die Verdienste und den Stil Flicks. Nach dem furiosen Sieg im El Clásico hat Jenewein in einem Beitrag auf LinkedIn den Führungsstil Flicks unter die Lupe genommen - und entschlüsselt sein Erfolgsrezept:
Was für ein Spektakel! Der FC Barcelona hat gestern zum vierten Mal in dieser Saison den grossen Rivalen Real Madrid furios geschlagen und damit einen Riesenschritt zur Meisterschaft und dem insgesamt dritten Titel gemacht. Ein paar Zahlen: 169 Mal Abseits gestellt, 124 erfolgreiche Dribblings von Yamal, 163 Tore – alles Best-Werte in Europa. Barca spielt den wohl attraktivsten Fussball der Welt.
Thierry Henry sagte kürzlich: „Fussball hat mich die letzten zwei Jahre gelangweilt, durch Barca habe ich meine Liebe wiedergefunden.“
Noch vor kurzen war das ganz anders. Die fast identische Mannschaft war im letzten Jahr weit davon entfernt auch nur einen Titel zu gewinnen. Der Erfolg ist darum unmittelbar mit Hansi Flick verbunden.
Wolfgang Jenewein ist einer der führenden Coaches und Trainer im deutschsprachigen Raum. Er ist Professor an der Universität St. Gallen und Gründer der JENEWEIN AG. Er arbeitet mit Top-Athleten wie Wladimir Klitschko oder Alexander Aamodt Kilde aber auch mlt Vorständen internationaler Unternehmen zusammen. Er selbst ist leidenschaftlicher Crossfit-Athlet und zählt zu den besten 50 weltweit in seiner Altersklasse.
Er ist einer der positivsten und aufrichtigsten Menschen, die ich kenne. Als er in Barcelona ankam, suchte er nicht danach was falsch läuft, tauschte nicht erst einmal den ganzen lokalen Staff aus oder forderte neue Spieler, wie es andere Trainer meist tun. Er arbeitete mit den Gegebenheiten, die er vorfand und strahlte die Überzeugung aus, dass genau mit diesen Umständen, mit diesem jungen Team, mit dem Staff, Großes möglich ist.
Sein Führungsstil würde ich mit Tough-Love beschreiben! Er würde sagen Disziplin auf der einen, Empathie und Menschenliebe auf der anderen Seite.
Es gibt Werte, die ihm unheimlich wichtig sind: Pünktlichkeit zum Beispiel. Wenn ein Spieler zu spät zur Besprechung kommt, spielt er nicht. Als ich ihn einmal fragte, warum ihm das so wichtig ist, sagte er: „Wer zu spät kommt, hat keinen Respekt vor den Anderen.“ Diese Werteorientierung verlangt er von jedem zu jeder Zeit. Einmal beobachtete ich ein Training. Danach habe ich kurz mit ihm gesprochen, um dann Richtung Umkleiden zu gehen. Ich wollte über die Ecke des Trainingsplatzes abkürzen. Kaum hatte ich den „heiligen Rasen“ betreten, pfiff er von hinten und schrie in voller Lautstärke: „Runter vom Platz!“
Gleichzeitig hat Hansi zu jedem seiner Spieler eine Beziehung aufgebaut. Er kennt die Hintergründe jedes Einzelnen. Er ist für sie da, wenn sie private Sorgen haben, und hilft ihnen jeden Tag besser zu werden.
Er führte de Jong und Raphinha zurück in die Weltspitze und formte aus einem Team of Stars ein echtes „Starteam“. Bestes Beispiel: Gavi sollte eingewechselt werden, aber der sagte zum Trainer lass Pablo (Torre) spielen, er hat seit Monaten nicht mehr gespielt!
Was ich aber am bemerkenswertesten finde ist seine Demut. Ihm geht es immer um die Mannschaft, um den Club, nie geht es um ihn. Nie stellt er sich ins Rampenlicht, immer lässt er andere strahlen, nie hat er große Forderungen, immer bleibt er Bescheiden. Die großen Hotelzimmer, die der Club für ihn reserviert gibt er den Physios damit sie mehr Platz für die Behandlung der Spieler haben. Ihm genügt ein einfaches Zimmer. Er ist einfach ein guter Mensch und lebt vor was er von anderen erwartet.
Wie sehr Ihr das? Und was lernt Ihr aus dem Beispiel Barcelona?
Euer
WolfgangFOCUS