Giorgia Meloni holt den America’s Cup 2027 nach Neapel – es könnte eine spektakuläre Austragung werden


Für viele neuseeländische Fans dürfte es wie bittere Ironie klingen: Dank massiver Unterstützung der italienischen Regierung wird der 38. America’s Cup im süditalienischen Neapel ausgetragen. Auckland fiel schon vor Monaten aus dem Rennen, da sich die Regierung Neuseelands weigerte, den Event und das Team New Zealand finanziell zu unterstützen. Nach Valencia (2007 und 2010) und Barcelona (2024) findet die Verteidigung des prestigeträchtigen Pokals damit erneut in Europa statt.
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Die Entschlossenheit der italienischen Regierung zeigt sich im offiziellen Communiqué, das von der America’s-Cup-Organisation und somit vom Titelverteidiger Team New Zealand veröffentlicht wurde. Darin heisst es: «Die italienische Regierung gibt in Zusammenarbeit mit Team New Zealand und der Royal New Zealand Yacht Squadron (Anm.: der erste Herausforderer) bekannt, dass Italien Gastgeberland und Neapel Austragungsort des 38. America’s Cup sein wird, der im Frühjahr und Sommer 2027 stattfindet.» Noch nie zuvor wurde der älteste Segelwettbewerb der Welt in Italien ausgetragen.
Dass Ministerpräsidentin Giorgia Meloni den Cup nach Italien holte, ist dem Engagement von Andrea Abodi zu verdanken, dem Minister für Sport und Jugend. In einer Stellungnahme dankte er Meloni für ihre Unterstützung: «Sie hat von Anfang an die grosse Bedeutung erkannt, die mit der Ausrichtung einer so wichtigen internationalen Veranstaltung verbunden ist – mit sportlicher, sozialer, touristischer und industrieller Ausstrahlung für ganz Italien.»
Neapel will ein Problemquartier sanierenMit dem Cup verbunden ist auch ein grossangelegtes städtebauliches Projekt: Die Umweltsanierung und Revitalisierung des Viertels Bagnoli, einst Standort der grössten Industrieanlage Italiens, soll beschleunigt werden. Das Quartier im Westen Neapels galt seit den 1990er Jahren als heruntergekommen und schwer belastet. Nun sollen dort die Teambasen entstehen. Neapels Bürgermeister Gaetano Manfredi, zugleich Sonderbeauftragter der Regierung für Bagnoli, betont: «Der Cup wird erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region haben – wie bereits in Barcelona und Valencia.» Im Fall Barcelonas stimmt das, im Fall Valencias nicht. Die Cup-Verteidigung durch Alinghi im Jahr 2007 brachte der Region erhebliche Verluste.
Für Grant Dalton, den CEO von Team New Zealand, kam die Ankündigung des Austragungsortes zur rechten Zeit. Wochenlang gab es negative Schlagzeilen: Peter Burling, derzeit wohl der beste Cup-Segler, hat das Team verlassen, Alinghi mit dem potenten Sponsor Red Bull ist ausgestiegen, und mit Jim Ratcliffe hat ein weiterer Milliardär sein Forfait gegeben. Nun konnte Dalton mit Neapel ein Zeichen setzen. Aus dem Bewerber-Trio Neapel, Athen und Jidda wählte er zweifellos die publikumswirksamste Option: «Wir bringen den Cup zu den Menschen», kommentierte er treffend.
Neapel verspricht ein spektakulärer Schauplatz zu werden. Im Gegensatz zu Barcelona wird der Cup in der Stadt wochenlang im Mittelpunkt stehen, es wird Zuschauerrekorde geben. «Ein toller und kluger Entscheid», sagt Christian Scherrer. Für den ehemaligen Alinghi-Segler und heutigen Teamleiter der Schweizer Olympiasegler ist Italien das Land mit dem grössten Enthusiasmus für den America’s Cup in Europa. Er erinnert an die Vorregatten 2012 und 2013 des 34. America’s Cup, bei denen Hunderttausende Tifosi die Rennen verfolgten. «Und in Barcelona waren die Italiener die Ersten, die erneut eine Challenge ankündigten.»
Siebte Cup-Kampagne für Luna RossaPrägend für Italiens Cup-Geschichte war und ist Patrizio Bertelli. Der Unternehmer wird 2027 mit Luna Rossa seine siebte Cup-Kampagne bestreiten – wohl die Krönung seines Lebenswerks. Zweimal stand er mit seinem Team im Final (2000 und 2021), unterlag aber jeweils Neuseeland. Zuletzt scheiterte Luna Rossa 2024 im Final der Herausforderer-Serie in Barcelona mit 4:7 an den Briten. Bertelli, selbst ein exzellenter Segler, hat Italiens Cup-Begeisterung entscheidend geprägt.
2027 wird der dann 81-jährige Prada-Boss eine neue Generation anführen, darunter möglicherweise die erste Frau auf einem Cup-Boot. In Barcelona gewann das italienische Frauenteam den ersten Women’s America’s Cup. Es war auch Bertelli, der 2018 das foilende Einrumpfboot AC 75 durchsetzte. Jene spektakuläre Bootsklasse also, die in Neapel zum dritten und womöglich letzten Mal zum Einsatz kommen wird.
Werden bei schwachem Wind Elektromotoren eingesetzt?Das Segelrevier rund um den Golf von Neapel und die Amalfiküste gilt als eines der schönsten Italiens. Die Rennen werden im Schatten des Vesuvs ausgetragen werden. Im Sommer herrschen im Revier meist leichte Winde, vorwiegend aus West bis Nordwest, mit zwei bis vier Beaufort. Um zu vermeiden, dass die AC-75-Jachten bei diesen Bedingungen von den Foils fallen oder gar nicht erst abheben – wie es in Barcelona öfter vorkam –, könnte Team New Zealand als Veranstalter eine Neuerung übernehmen, die in der Rennserie Sail GP derzeit getestet wird: Elektromotoren. Diese sollen bei Flaute aktiviert werden, um die Boote auf Foil-Geschwindigkeit zu bringen. Die Technologie ermöglicht es, Rennen auch bei schwächeren Winden planmässig auszutragen.
Ob solche Massnahmen vorgesehen sind, wird das Cup-Protokoll zeigen, das in wenigen Wochen veröffentlicht wird. Es legt die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen des 38. America’s Cup fest. Aus Schweizer Sicht bleibt ein Wermutstropfen, weil Alinghi in Neapel nicht dabei sein wird. Ernesto Bertarelli, der Gründer und Eigner des Teams, sagte: «Es ist nicht gelungen, gemeinsam eine kommerziell tragfähige Veranstaltung zu schaffen, die weltweit TV-Reichweite, Zuschauerinteresse und Sponsoren generiert hätte.»
Mit der Wahl von Neapel könnte der Genfer mit dieser Annahme falschliegen. Sollte er bei seinem Rückzug nicht gewusst haben, dass Neapel Austragungsort wird, dürfte er das Rennen 2027 mit Wehmut verfolgen, nicht nur wegen der Zuschauermassen: Der einstige Cup-Sieger wurde vor bald sechzig Jahren in Italien geboren und besitzt auch einen italienischen Pass.
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