Eishockey darbte in Florida einst so sehr, dass man den Eintrittspreis selbst bestimmen konnte – heute dominiert der Sonnenstaat die NHL


Es ist schon verblüffend, wo die besten Eishockey-Teams der Welt gerade ihre Heimspiele austragen: In den letzten sechs Jahren holten fünf Teams den Stanley-Cup, die entweder in der Wüste (Vegas Golden Knights, 2023) oder im Sonnenstaat Florida beheimatet sind.
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Florida zählt bei über 22 Millionen Einwohnern nur 26 Rinks. Zum Vergleich: In der Schweiz sind es mehr als 200. Es ist alles andere als eine klassische Eishockey-Destination, ein Landstrich, in dem die Temperaturen selten unter 20 Grad fallen. Oder besser gesagt: war. Denn in diesem Gliedstaat ist seit 2020 stets im Juni noch Eishockey gespielt worden; es hat keinen Stanley-Cup-Final ohne Florida-Beteiligung mehr gegeben. 2020 und 2021 siegten jeweils die Tampa Bay Lightning. Und nun zwei Mal in Folge die Florida Panthers.
In der Nacht auf Mittwoch krönten sich die Panthers abermals zum Champion. Sie waren ein logischer, ein verdienter Meister. Wie schon 2024 setzten sie sich im Play-off-Final gegen die Edmonton Oilers mit ihren Superstars Connor McDavid und Leon Draisaitl durch. Das Duo stand mit je 33 Punkten aus 21 Partien mit grossem Vorsprung an der Spitze der Play-off-Topskorer-Liste. Und McDavid wurde vom Altstar Jaromir Jagr mit den Worten geadelt, dass er «das Göttliche in ihm» sehe. Doch im Final fand gerade McDavid zu selten zur Entfaltung, seine Plus/Minus-Bilanz lag bei -7. Es war zu wenig, um den Oilers den ersten Titel seit 1990 zu bescheren, nachdem sie letztmals mit Wayne Gretzky und Mark Messier triumphiert hatten.
Wieder lieferten sich die Kontrahenten eine hochklassige und in teuflischem Tempo vorgetragene Serie. Den Unterschied machten die Torhüter: Bei den Panthers bewies der 36-jährige Russe Sergei Bobrowski einmal mehr, weshalb er mit einem Jahressalär von zehn Millionen Dollar zu den teuersten und besten Goalies der Welt gehört.
Den Oilers dagegen fehlte die Stabilität, der eigentliche Stammgoalie Stuart Skinner verlor seine Nummer-1-Rolle; seine Familie erhielt während der Serie Morddrohungen, wie seine schockierte Frau öffentlich machte. Die inakzeptablen Entgleisungen Einzelner stehen exemplarisch dafür, wie tief das Trauma in Kanada verwurzelt ist: Der letzte Titel eines kanadischen Teams datiert von 1993. Zur damaligen Siegermannschaft des Rekordsiegers Montréal Canadiens gehörte unter anderen ein gewisser Paul Di Pietro, der später bei Ambri-Piotta und Zug in der Schweiz für Furore sorgte.
Videoverleih-Milliarden brachten die Panthers in die NHL1993, das war auch das Jahr, in dem die Panthers in die NHL eintraten. Der Milliardär Wayne Huzenga (machte sein Vermögen mit der Vermietung von Videokassetten; wer jünger als 35 ist, wird das kaum glauben, ihm gehörte die legendäre «Blockbuster Video»-Kette) gab für die Lizenz 50 Millionen Dollar aus. Heute beträgt die Lizenzgebühr für Expansionsteams mindestens 650 Millionen (Seattle Kraken, 2021), beim nächsten Team könnte es sogar mehr als eine Milliarde sein. Die Hausse der Panthers ist mit ein Grund dafür.
Doch das war nicht immer so. Die Franchise gehörte jahrelang zu den Sorgenkindern der Liga und wies eine der tiefsten Zuschauerzahlen aus. Noch 2013/14 lagen sie bei knapp 11 000 Fans pro Heimspiel – in der Schweiz ziehen der SC Bern und die ZSC Lions mehr Besucher an. Profis der Panthers hielten Autogrammstunden in den Malls rund um Miami ab, doch das Interesse war bestenfalls lauwarm. Die Verzweiflung war so gross, dass die Panthers einst eine Promotion starteten, bei der man für Tickets selber einen Preis vorschlagen und bestimmen konnte.
Für Schlagzeilen sorgten sie lange Zeit praktisch nur mit obskuren Episoden. Die wichtigste und bekannteste geht so: Vor dem ersten Heimspiel der Saison 1995/96 rannte eine Ratte durch die Kabine der Panthers. Der Stürmer Scott Mellanby holte zu einem Slapshot aus und erledigte den Nager damit. Im Spiel erzielte er danach zwei Treffer, was sein Teamkollege John Vanbiesbrouck als «Rat Trick» apostrophierte. Bei der nächsten Partie warfen die Fans Plastikratten aufs Eis; die Ratte ist bis heute ein elementarer Bestandteil der Panthers-Fanfolklore. Auch Dienstagnacht flogen Spielzeugnager von den Rängen.
Dabei gab es in Spiel 6 keinen «Rat Trick», sondern einen Hattrick: Sam Reinhart, ein kanadischer Stürmer in Diensten der Panthers, traf beim entscheidenden, ungefährdeten 5:1-Sieg gleich vier Mal.
Schöne Steuervorteile – und: «Die Sonne bringt uns nicht um»Um die Dominanz der Panthers und ihre drei Finalteilnahmen in Serie hat sich vor allem in Kanada eine alte Debatte neu entflammt: jene der finanziellen Ungleichheit. Die NHL kennt eine Salärobergrenze, theoretisch herrscht Parität. Aber der Gliedstaat Florida kennt keine Einkommenssteuer – in den Metropolen Las Vegas, Dallas, Nashville und Seattle ist das ebenfalls so.
Der Steuervorteil gegenüber dem Gros der sieben kanadischen Teams beträgt bis zu 15 Prozent. «Teams aus Kanada und Kalifornien müssen aufgrund ihrer Steuersituation mehr für gewisse Spieler bezahlen als andere Organisationen», sagte Brad Marchand vor ein paar Tagen der Nachrichtenagentur AP. Marchand, 37, ist einer von neun Kanadiern im Meisterensemble der Panthers.
Den Champions sind die kanadischen Klagen selbstverständlich völlig egal, zumal sich an den Begebenheiten nichts ändern wird. Der umsichtige General Manager Bill Zito, ein ehemaliger Spieleragent, sagte: «Florida hat viel zu bieten, die Sonne bringt uns nicht um. Es ist ein Ort mit viel Lebensqualität.»
Zito wird ein Grossteil des Sommers damit verbringen, die Vorzüge Floridas bei Vertragsverhandlungen herauszustreichen – die Vereinbarungen mit mehreren Schlüsselspielern laufen aus, jene des Play-off-Torschützenkönigs Sam Bennett etwa, der als wertvollster Akteur ausgezeichnet wurde.
Womöglich kann Zito ihn mit der Aussicht halten, Geschichte zu schreiben: Drei Titel in Serie hat in der NHL seit der Dynastie der New York Islanders mit vier Triumphen in Folge von 1980 bis 1983 niemand mehr gewonnen.
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