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Ein letztes Mal auf der Suche nach Leichtigkeit: Lara Gut-Behrami startet in ihre letzte Skisaison

Ein letztes Mal auf der Suche nach Leichtigkeit: Lara Gut-Behrami startet in ihre letzte Skisaison

Vor 17 Jahren debütierte Lara Gut-Behrami als unbeschwerter Teenager beim Ski-Weltcup-Saisonauftakt in Sölden. Nun tritt sie zum letzten Mal an. Entspannt, aber ehrgeizig – und mit einem Bein bereits im Unternehmerinnen-Leben.

Eva Breitenstein, Sölden

Lara Gut-Behrami im Oktober 2025: entspannt, gereift, zufrieden.

Andreas Becker / Keystone

Die letzte Anfahrt nach Sölden, die letzte Startnummern-Auslosung, das letzte Rätseln über die Form vor der Saison. Stopp! Die Skirennfahrerin Lara Gut-Behrami unterbindet solche Gedanken sofort. «Ich hoffe, wir reden nun nicht bei jedem Rennen darüber, was ich alles zum letzten Mal mache», sagte sie schon ein paar Wochen vor dem Saisonstart des Ski-Weltcups. «Ja, es ist meine letzte Saison, aber ich bin nicht nostalgisch.»

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Im kommenden Frühling beendet Gut-Behrami mit knapp 35 Jahren ihre Karriere. Mehr als die Hälfte ihres Lebens hat sie im Ski-Weltcup verbracht; sie wird diesen Winter nicht um Fragen herumkommen, die einen Blick auf die Vergangenheit werfen. Zu lange und zu prägend war ihre Laufbahn, zu aussergewöhnlich auch – wegen ihrer Erfolge, aber auch ihrer Persönlichkeit. Schaut man 17 Jahre zurück auf Gut-Behramis ersten Start in Sölden, hat nicht nur sie sich verändert. Dasselbe gilt für den Skisport.

Als sie 2008 in Sölden debütierte, war sie 17 und hatte im Winter davor bereits mit einem dritten Abfahrts-Rang in St. Moritz verblüfft. In Sölden fuhr sie im Riesenslalom als Fünfte zum ersten Mal in die Punkte. Sie gewann 45 Zähler – mehr als das ganze Schweizer Frauenteam im Vorwinter zusammen in dieser Disziplin. Die Schweiz lag im Nationen-Ranking damals hinter Österreich, mit weniger als der Hälfte der Punkte.

Lara Gut-Behramis Auftauchen löste bei Swiss Ski ein kleines Erdbeben aus: ein junger, unbeschwerter Teenager, der bis kurz davor ausschliesslich mit der Familie trainiert hatte. Und nun Bestzeiten fuhr und die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Vater Pauli Gut sprach damals schon vom Sieg im Gesamt-Weltcup, und die Familie hatte klare Vorstellungen davon, was Lara brauchte, um diesen zu verwirklichen. Zuallererst galt das für sie selbst. Schliesslich gründeten die Guts ein Privatteam ausserhalb des Verbandes, der Teenager Lara Gut finanzierte fortan das Familienleben. Und versuchte, sich zurechtzufinden inmitten der neuen Erwartungen von allen Seiten.

Lara Gut als 17-Jährige im Jahr 2008 beim Training auf dem Allalingletscher bei Saas-Fee.

Alessandro Della Valle / Keystone

Oft hat Gut-Behrami seither darüber gesprochen, wie belastend sie die Zeit fand, als sie in den Augen der Öffentlichkeit die Rolle des Ski-Schätzchens spielen sollte. Und wie vernichtend die Reaktionen waren, wenn sie es nicht tat. Im Laufe ihrer Karriere begleiteten sie die Zuschauer auch in ihrer Entwicklung als Mensch – wie sie nach einer Verletzung entdeckte, dass es auch für sie noch anderes gibt als Skifahren, wie sie die Freude am Skifahren verlor und wieder fand, wie sie im früheren Fussballer Valon Behrami einen Ehepartner fand, der sie verstand. Kürzlich sagte sie in einem Podcast des Tessiner Fernsehens RSI, sie hätten beide die Tendenz, immer den komplizierten Weg einzuschlagen.

Sie sieht die jungen Skifahrer vor einer grossen Herausforderung

Nach einem anscheinend anstrengenden Weg zu sich selber ruht Lara Gut-Behrami in sich. Sie sagt, sie verliere nicht mehr so viel Energie auf Nebenschauplätzen. Wobei das nicht immer stimmt, schliesst sie doch den «Blick» in diesem Winter von den Medienterminen aus, weil sie sich über dessen Berichterstattung ärgerte. Doch den Medien-Marathon vor dem ersten Rennen meistert sie äusserst entspannt, geniesst, dass sie zum Abschluss ihrer Karriere noch gesund ist und schnell fährt.

Vor den Rennen in Sölden spricht sie auch darüber, wie sich der Skisport seit Beginn ihrer Karriere verändert hat. Sie sagt, die Belastung der jungen Fahrerinnen und Fahrer sei heute extrem hoch. Sportlich gesehen mit den Entwicklungen im konditionellen Bereich und im technischen, die dazu führen, dass die Linien immer direkter und schärfer werden. «Dazu kommt, dass sie sich vermarkten müssen, ihre eigene Mediengeschichte erzählen», sagt sie. «Früher war man Sportler, heute verkauft man sich als Berühmtheit, obwohl man kaum Rennen gewonnen hat.»

Sie kritisiert die Entwicklung, dass ein hübsches Gesicht und ein nettes Auftreten so wichtig seien. Und wünscht sich Athletinnen wie Tina Maze oder Janica Kostelic zurück, die «ihr wahres Gesicht zeigten» und einen zehnten Rang nicht schönredeten.

Noch am Anfang einer bewegten Karriere: Lara Gut, 2010.

Selber fordert sie sich seit dem Sommer in einer neuen Rolle: Sie ist als Investorin und strategische Beraterin bei der Schweizer Firma Ka-Ex eingestiegen, die ein Nahrungsergänzungsmittel zur Regeneration herstellt. Es war Gut-Behramis Wunsch, damit bereits während der Karriere zu beginnen, «damit der Übergang nicht so schwierig ist». Das Logo der Firma ziert nun auch die Vorderseite ihres Helmes, nachdem sie im vergangenen Winter ohne Kopfsponsor unterwegs gewesen ist.

Sie könnte in der letzten Saison noch Rekorde brechen

Das Skifahren nimmt Gut-Behrami deswegen nicht weniger ernst. In ihrer 18. Weltcup-Saison könnte sie ihr Palmarès noch veredeln. In Sölden würde sie mit einem vierten Triumph zur alleinigen Rekordsiegerin. Etwas weniger realistisch ist das Szenario, dass sie Vreni Schneider bei der Anzahl Weltcup-Siege ein- oder überholt und zur erfolgreichsten Schweizer Skifahrerin wird. Dafür müsste sie ihren 48 Siegen noch 7 hinzufügen. So viele hat sie erst in einem Winter geschafft – in ihrer besten Saison, die noch gar nicht lange her ist, 2023/24 war das.

Sie gewann damals zum zweiten Mal den Gesamt-Weltcup; ein Effort, der eine Menge Energie verschlang. Als einen «Leidensweg» bezeichnete sie die letzte Saisonwoche im März 2024 kürzlich beim RSI. Sie brauchte Monate, um den Erfolg zu verarbeiten. Noch zu Beginn der Saison 2024/25 sei sie deswegen müde gewesen, dazu kamen Knieprobleme nach einem Schlag in der Saisonvorbereitung.

Das Rennen in Sölden 2024 sagte sie kurz vor dem Start und unter Tränen ab, weil sie sich noch nicht bereit fühlte; im Verlauf der Saison lief es immer besser, zum Abschluss gewann sie den letzten Riesenslalom in Sun Valley und ihre sechste Disziplinenkugel im Super-G. «Die Saison war kompliziert für mich. Nicht im technischen Sinn, sondern von den Emotionen her», sagte sie im Podcast. «In Sun Valley habe ich die Freude am Skifahren wieder gefunden, wie ich sie als Kind hatte. Plötzlich war alles einfach.»

Lara Gut-Behrami posiert in Sölden vor ihrer letzten Saison. Beim Unternehmen, das ihre Kappe und ihren Helm ziert, ist sie selber Investorin.

Gian Ehrenzeller / Keystone

Das Streben nach diesem Gefühl der Leichtigkeit auf den Ski, der Freude, war Gut-Behramis roter Faden während der Karriere. Und am Ende auch ein Grund, dass sie so lange fuhr – etwas, was sie in jüngeren Jahren nie für möglich gehalten hätte.

Nun steht sie am Samstag zum letzten Mal in Sölden am Start. Gelegenheit für einen letzten Blick zurück in den Zielraum des Rennens von 2008, als die Tessinerin mit der Startnummer 37 auf Rang 5 stürmte. «Ob Dritte oder Vierte oder Fünfte, das ist doch scheissegal. Ich wollte nur unter die ersten dreissig kommen», sagte sie da erfrischend direkt. Oder: «Mit 17 muss ich doch locker sein, ernst kann ich mit 30 sein.» Und schliesslich, auf die Frage der NZZ, ab wann sich die Schweizer Konkurrenz fürchten müsse: «Sobald ich meine Ski anschnalle.»

Alles hat sich in den 17 Jahren dann doch nicht geändert.

nzz.ch

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