Der Elf-Minuten-Meister des FCB: Der Harry-Kane-Fluch schlägt ein allerletztes Mal zu

Spielten gegen RB beide nicht: Manuel Neuer und Harry Kane.
(Foto: picture alliance/dpa)
Auf dem Fußballer Harry Kane vom FC Bayern lastet ein Fluch. Aber bald ist der besiegt. Gegen RB Leipzig blitzt er noch ein letztes Mal auf.
Es ist ein wenig so, als würde sich das Schicksal mit seiner letzten Kraft dagegen wehren. Denn auf Harry Kane, so erzählt man es sich in der abergläubischen Welt des Fußballs, lastet ein Fluch: Der Kapitän der englischen Nationalmannschaft hat in seiner Karriere zwar unzählige Tore geschossen (387), seinen Teams reihenweise aus der Patsche geholfen, ist aktuell wohl einer der sichersten Elfmeterschützen auf diesem Planeten, hat aber noch nie einen richtigen Titel gewonnen (mal abgesehen vom Audi Cup).
Deshalb sollte der 3. Mai 2025 als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem Harry Kane endlich seinen ersten richtigen Titel in seiner schon langen Fußballkarriere einfahren sollte - und den Fluch besiegt. Praktisch lastet er schon nicht mehr auf dem 31-Jährigen. Titelverteidiger Bayer Leverkusen muss nicht nur den Punkterückstand aufholen, sondern auch ein 30 Treffer schlechteres Torverhältnis. Es hätte also eigentlich einen Sieg gegen RB Leipzig gebraucht, damit der FC Bayern die deutsche Meisterschaft mathematisch wasserdicht versiegelt. Sicher ist sicher.
Eigentlich. Wie es so ist, kam es ganz anders. Für nur elf Minuten nach dem 3:2 durch Leroy Sané durfte Kane einmal testen, wie sich das anfühlt, eine Meisterschaft zu gewinnen. Ansonsten präsentierte sich der FC Bayern wenig titelreif, die Rasenballsportler dagegen umso aufmüpfiger. Leipzig führte überraschend mit 2:0 zur Halbzeit, nach der Auswechslung von Thomas Müller glichen die Bayern per Blitz-Doppelschlag aus, ehe dann eben durch den Treffer von Sané besagte elf Meister-Minuten folgten, die Leipzigs Yussuf Poulsen mit dem Schlusspfiff und seinem Tor zum 3:3-Remis zerstörte.
Eine "verrückte, verrückte Entscheidung"Dass es dazu kommen konnte, zeichnete sich schon vorab ab. Schließlich passen das Ergebnis und sein Zustandekommen ziemlich gut in die aktuelle Zustandsbeschreibung des FC Bayern. Trainer Vincent Kompany musste aus seinem Lazarett irgendwie eine Abwehrreihe formen. Am Ende fiel die Entscheidung auf ein Quartett, das so wohl nie wieder zusammenspielen wird - weil eine Hälfte den Klub wohl verlassen wird. Der blitzerblondete Sasha Boey muss sich mutmaßlich einen neuen Arbeitgeber suchen, Eric Dier hat sich dagegen aktiv umgeschaut und für AS Monaco entschieden.
Und Kane? Der durfte das Schauspiel nur von der Tribüne der Red-Bull-Arena verfolgen. Eine Woche zuvor, im Heimspiel gegen Mainz 05, hatte er seine fünfte Gelbe Karte im Wettbewerb gesehen - und war damit gesperrt. Eine "verrückte, verrückte Entscheidung" hatte er das noch genannt. Es gehöre auf eine Art zu seiner Geschichte, dass er die vermeintliche Meisterkür gegen Leipzig verpasse, hatte der 31-Jährige vor einer Woche noch selbst gesagt.
Die TV-Kameras fingen Kane die meiste Zeit über dabei ein, wie er mit seinen Kollegen mitleiden musste. Die Erlösung kam erst mit dem Sané-Treffer, endlich durfte er jubeln. Und, zu seinem Glück, hatte irgendwer Erbarmen mit ihm. Eigentlich sieht es das Reglement vor, dass gesperrte Spieler sich in den 30 Minuten vor, während und in den 30 Minuten nach dem Spiel der Trainerbank nicht nähern dürfen. Doch die letzten Minuten sah man Kane am Spielfeldrand, sehnsüchtig den Titel erwartend. Bis eben Poulsen zum 3:3-Ausgleich traf. Danach gingen Bilder um die Welt, die man Kane lieber erspart hätte: Kane steht mit finsterer Mine und verschränkten Armen neben der Trainerbank. Der Fluch eben.
59 Jahre des SchmerzesFür dieses Pech ist er berühmt. Mit den 100 Millionen Euro kaufte sich der FC Bayern im Sommer 2023 nicht nur eine zuverlässige Tormaschine, sondern auch diesen Running Gag ein. Zwei Jahrzehnte lang versuchte Kane mit seinem Herzensklub Tottenham Hotspur, irgendwie an eine Trophäe zu gewinnen. Er wurde zwar mehrfach Torschützenkönig in der Premier League, die Spurs gewannen aber schon seit Ewigkeiten nichts mehr.
Hinzu kommt, dass Kane auch noch für die englische Nationalmannschaft spielt. Das ist das Nationalteam, das bekanntermaßen seit der Weltmeisterschaft 1966 im eigenen Land nichts mehr gewonnen hat und das so schön zelebriert wie keine andere Nation. Aus "30 years of hurt" wurden mittlerweile 59 Jahre des Schmerzes - daran konnten auch die EM-Finals 2021 und 2024 nichts ändern. Kane traf bei den Turnieren eifrig, seine Kollegen in den Elfmeterschießen aber nicht immer.
Der Wechsel zum FC Bayern schien also als die sicherste Wahl. Die Münchner gewannen vor Kanes Ankunft die deutsche Meisterschaft zehnmal in Folge. Doch, zur Überraschung aller, ging die Schale im vergangenen Jahr nach Leverkusen - erstmals in deren Klubgeschichte. Die Münchner erlebten dagegen die erste titellose Saison seit 2012. Der Kane-Fluch eben, wurde gescherzt.
Doch trotz des Remis gegen RB Leipzig gehört dieser Running Gag der Vergangenheit an: entweder schon am Abend, wenn Bayer nicht in Freiburg gewinnt (17.30 Uhr/DAZN und im Liveticker bei ntv.de) oder wenn die Münchner in der nächsten Woche gegen daheim gegen Gladbach gewinnen. Bis dahin bleiben Kane und der FC Bayer bei einem "In-Between-Ding", wie es Müller bei Sky formulierte. "Ich fühle mich ganz als Meister, aber trotzdem sind wir es noch nicht."
Quelle: ntv.de
n-tv.de