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Das ist keine neue Ära, Herr Infantino, das ist ein PR-Desaster für den Fußball

Das ist keine neue Ära, Herr Infantino, das ist ein PR-Desaster für den Fußball

Die Klub-WM in den USA entwickelt sich zur Farce. Grottenkicks vor traurigen Kulissen. Soll das noch Fußball sein? Fifa-Boss Gianni Infantino hatte eine neue Ära angepriesen, doch es ist ein PR-Desaster. Ein Kommentar.

Sie müssen wissen, ich bin großer Fan der amerikanischen NFL. American Football ist in den USA nicht nur Sport, sondern Religion. So gibt es in der größten US-Metropole New York City zwangsläufig sogar zwei Teams, die Giants und die Jets.

Zwei traditionsreiche Franchises, die aber im letzten Jahrzehnt nicht gerade für ansehnlichen, begeisternden oder überhaupt erfolgreichen Football standen. Die Fans in Blau (Giants) und Grün (Jets) sind aber hartgesonnen. So ist das MetLife Stadium vor den Toren der Stadt, in East Rutherford im Bundesstaat New Jersey, fast immer ausverkauft. Selbst wenn die eigenen Fans mal keine Lust mehr auf den Gurkenfootball haben, sporthungrige Touristen gibt es im Big Apple ja zu genüge.

Football ist aber nicht Fußball, Fußball ist Soccer. Zumindest in den USA. Und für Soccer interessiert sich der Amerikaner offensichtlich nicht.

Der Oberrang? Völlig blank. Haupt- und Gegentribüne spärlich befüllt. Die imposante Arena mit einer Gruselkulisse. Immerhin hat Fluminense ein paar Anhänger aus Rio mobilisieren können.

Eine Gelbe Wand auf Dortmunder Seite gibt es nicht, es ist nicht mal ein gelbes Mäuerchen. Das ist schade für all diejenigen, die ihren Verein auf der anderen Seite des Planeten unterstützen.

Der BVB spielt wöchentlich vor 80.000 Fans, hat eine der besten, aktivsten und leidenschaftlichsten Fanszenen der Welt. Aber eben nicht in den USA, hier scheint sich niemand für die Borussia zu interessieren.

  • Inter Miami gegen Al-Ahly: 60.927 von 65.000 (Hard Rock Stadium, Miami)
  • FC Bayern gegen Auckland City: 21.152 von 26.000 (TQL Stadium, Cincinnati)
  • Atletico Madrid gegen PSG: 80.619 von 92.500 (Rose Bowl Stadium, Pasadena)
  • Palmeiras gegen FC Porto: 46.200 von 82.500 (MetLife, East Rutherford)
  • Seattle Sounders gegen Botafogo: 30.151 von 67.000 (Lumen Field, Seattle)
  • Chelsea gegen LAFC: 22.137 von 71.000 (Mercedes-Benz-Stadium, Atlanta)
  • Boca Juniors gegen Benfica: 55.574 von 65.000 (Hard Rock Stadium, Miami)
  • Flamengo gegen ES Tunis: 25.797 von 67.594 (Lincoln Financial Field, Philadelphia)
  • Borussia Dortmund gegen Fluminense: 34.736 von 82.500 (MetLife, East Rutherford)

Selbst beim Eröffnungsspiel zwischen Inter Miami um Weltstar Lionel Messi und Al-Ahli mussten Tickets kurz vor Anpfiff zum Spottpreis verhökert werden, damit sich die Fifa bei ihrer groß inszenierten Eröffnungsshow nicht blamiert. Für 20 Euro durften Studenten noch vier Freunde mitbringen…

Tickets werden mittlerweile nur noch verramscht; oder wie es die Fifa nennt: „Dynamisches Preissystem“. Laut der Deutschen Presse-Agentur liegen die Preise inzwischen bei der Hälfte der 48 Vorrundenspiele unter 36 Dollar. Beim Ticketpartner „Ticketmaster“ lassen sich zudem teilweise nur noch Tickets in den Blöcken des jeweiligen Stadions kaufen, die die Kamerabilder auch einfangen.

Früher gekaufte Tickets werden teilweise storniert, um sie in andere, sichtbare Blöcke zu verlegen. Hier haben sich die Beteiligten auch ein nettes Wort für überlegt: Stadionoptimierung.

Was hat Gianni Infantino erwartet, als er von einer „neuen Ära des Fußballs“ sprach? Die Klub-WM ist sein Herzensprojekt, daher spart der Schweizer Fifa-Boss nicht mit Superlativen, wenn er von diesem Turnier schwärmt, das eigentlich keiner wollte und erst recht niemand brauchte.

Dass die europäischen Fußballfans nach einer langen Saison mit Liga, Pokal und Champions League nicht noch zwei Wochen Zeit und Unmengen an Kosten mit in die USA bringen, war doch absehbar.

In anderen Teilen der Welt mag die Begeisterung für dieses Turnier anders sein, die Südamerikaner beispielsweise nutzen die Plattform, um sich wieder mit den vermeintlich überlegenen Europa-Clubs messen zu können. Doch trotz großer lateinamerikanischer Community in den Staaten bleiben auch bei Spielen von Fluminense, Botafogo, Palmeiras und sogar Boca Juniors Plätze frei. Die leidenschaftlichen Anfeuerungen des BVB-Gegner gingen im großen Rund des MetLifes fast unter.

Auf dieser Seite der Erde wird die Klub-WM sowieso kritischer betrachtet. Selbst Uli Hoeneß sagte einst über dieses Turnier: „Irgendwann ist genug! Wir werden alles tun, um diese Explosion an Wettbewerben einzudämmen.“ Es gehe nur darum, „noch mehr Gelder in die Berater und in die Spieler reinzustecken“.

Mittlerweile ist die Kritik von Seiten der teilnehmenden Vereine verstummt, auch vom Tegernsee gibt es keine negativen Worte. Der Grund ist simpel: Geld.

Der FC Bayern kassiert allein für sein Erscheinen in die USA etwa 27 Millionen Dollar Antrittsgeld, der BVB bewegt sich etwas darunter. Dem Sieger winken insgesamt 100 Millionen Dollar. Eine Summe, der kein Verein der Welt widerstehen kann.

Das Geld dafür kommt aus Saudi-Arabien. Der saudische Staatsfonds ist offizieller Sponsor des Turniers. Zusätzlich zahlte der Fonds im Februar für eine Beteiligung an der Streamingplattform Dazn rund eine Milliarde US-Dollar. Für dieselbe Summe erwarb Dazn die Übertragungsrechte an der Klub-WM.

Aufgrund dieser Summen kann es der Fifa und Infantino auch wirtschaftlich völlig egal sein, wie voll die Stadien sind. Der Rubel rollt schon längst.

Im Gegenzug bekommt der Ölstaat die „richtige“ Weltmeisterschaft der Nationen 2034 zugeschrieben - und niemand kann etwas dagegen tun. Diese Machenschaften verheimlichen Fifa und Infantino nicht mal mehr.

Da ist die Kritik der Bayern-Fans in Cincinnati nur verständlich. Dort stand auf einem Banner: „10 Jahre Baur au Lac - Der Weltfußball wird noch schlechter regiert als zuvor! Zerschlagt die FIFA!“

2015 wurden in dem Zürcher Luxushotel Baur au lac mehrere hochrangige Fifa-Funktionäre unter Korruptionsverdacht festgenommen. Der Weltverband wurde in der Folge auf den Kopf gestellt, Infantino übernahm von Sepp Blatter. Jetzt heißt es eben Saudi-Arabien statt Katar.

Infantino scheint sogar noch mächtiger als Blatter zu regieren. So kommt der Protest der Bayern-Fans passenderweise zum „No Kings Day“.

Unter diesem Motto fand am Wochenende eine große Protestwelle gegen die Trump-Regierung in den amerikanischen Städten statt, um sich dem zunehmend autoritären Regierungsstil zu widersetzen.

Trump und Infantino sind übrigens dicke Freunde, Infantino war bei dessen "Krönung" im Januar und präsentierte dem US-Präsidenten wenig später eigens die pompöse, goldene Trophäe im Weißen Haus.

Nächstes Jahr wird die WM in den USA stattfinden. Die Klub-WM sollte ein Vorläufer werden. Sie sollte der Welt, aber vor allem den Vereinigten Staaten, Lust auf das Turnier, das jeder Fußballfan so sehr liebt, machen. Es sollte dem Amerikaner den "Soccer" näherbringen.

Leere Stadien, miese Stimmung, müder Fußball, ungleiche Duelle - bisher hat die Klub-WM mit Ausnahme der Boca Juniors nur das gezeigt. Denn das Turnier hat nach nur wenigen Tagen schon bewiesen, was es ist und für wen es ist.

Ein Hyper-Kommerz-Produkt, das die unbändige Profitgier von Infantino und seinen Gefolgsleuten stillen soll. Wenn selbst der kommerzgeile Amerikaner darauf nicht eingeht, hat die Fifa den Bogen überspannt. Das ist ein PR-Desaster, keine neue Ära des Fußballs. Und wenn doch, will ich kein Teil davon sein.

FOCUS

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