Sprache auswählen

German

Down Icon

Land auswählen

Germany

Down Icon

Wenn die Sportart zu einem passt, kommt die Lust von selbst: Warum die Wahl der richtigen Disziplin so wichtig ist

Wenn die Sportart zu einem passt, kommt die Lust von selbst: Warum die Wahl der richtigen Disziplin so wichtig ist

Wer sensibel ist, trainiert besser allein: Eine neue Studie zeigt, wie unsere Persönlichkeit die Motivation für Ausdauer- und Fitnesstraining beeinflusst.

Niels Bossert

Feierabend heisst ab ins Fitnessstudio oder Laufschuhe an. Aber bei vielen Menschen ist der Drang zur Bequemlichkeit dann doch stärker.

Das Tagwerk ist vollbracht. Die Laufschuhe stehen bereit. Es wäre Zeit, den Feierabend aktiv zu nutzen, Joggen klärt die Gedanken. Doch bevor man das Haus verlässt, wandert ein letzter Blick zurück: Das Sofa sieht besonders verlockend aus, eine neue Folge der Lieblingsserie läuft. Und: Es sieht nach Regen aus. Der Abend endet gemütlich – abgesehen vom schlechten Gewissen. Das schmerzt mehr, als es der Muskelkater getan hätte.

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Die Gewissensbisse sind aber unbegründet – zumindest legt dies eine aktuelle Studie aus England nahe. Mangelnde Motivation ist möglicherweise kein Zeichen für fehlende Disziplin. Vielmehr ein Hinweis darauf, dass die gewählte Sportart nicht zu uns passt.

Extrovertierte mögen die Intensität, Neurotische trainieren lieber für sich

Sport- und Neurowissenschafter vom University College London wollten herausfinden, ob Persönlichkeitsmerkmale Hinweise darauf geben, welche Trainingsformen Menschen bevorzugen und wie stark sie davon profitieren. Die Forscher orientierten sich dabei an den sogenannten «Big Five» der menschlichen Persönlichkeit: Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion (Geselligkeit), Verträglichkeit (Kooperationsbereitschaft) und Neurotizismus – die Neigung zu negativen Emotionen wie Angst, Ärger und Unsicherheit. Die Studie wurde kürzlich im Fachjournal «Frontiers in Psychology» veröffentlicht.

Bei der Untersuchung nahmen 132 Personen mit unterschiedlichen Fitnessniveaus an einem achtwöchigen Programm teil. Das Training umfasste drei Radeinheiten und eine Einheit Krafttraining pro Woche. 86 Personen hielten bis zum Schluss durch. Das Resultat: Alle verbesserten ihre Fitness, doch die Freude am Training unterschied sich deutlich – je nach Persönlichkeit.

Extrovertierte fühlten sich bei intensiven Einheiten im Labor besonders wohl. Sensiblere oder ängstlichere Teilnehmende bevorzugten dagegen ruhige, selbstgesteuerte Belastungen, etwa die Trainingseinheiten zu Hause statt der beobachteten Tests. Menschen mit höherem Neurotizismus-Wert profitierten ebenfalls stärker, wenn sie unbeobachtet und autonom trainierten: Ihr Stresslevel sank am deutlichsten, und sie hielten die Übungen konsequenter durch.

Die Ergebnisse legen nahe, dass Training besser funktioniert, wenn die Sportart zur Persönlichkeit passt. Die einen profitieren vom Grossraum-Fitnessstudio, von der Laufgruppe oder von Mannschaftssport, die anderen vom Home-Krafttraining, von der Jogging-Runde alleine im Wald oder Yoga.

Einige Menschen fühlen sich besser, wenn sie alleine Sport machen – ihr Stresslevel sinkt, und sie bleiben fleissig im Training.

Auch an der Universität Bern spielt dieser individuelle Ansatz eine Rolle. Dort stehen jedoch nicht Persönlichkeitsmerkmale, sondern die Motive und Ziele der Menschen im Sport im Fokus. «Je genauer diese Motive erfragt werden, desto treffsicherer ist die Empfehlung der Sportart», sagt Julia Schmid, Sportwissenschafterin an der Universität Bern.

Schmid gehört auch zu den Autorinnen des Buchs «Welcher Sport für wen?». Gemäss Schmid ist die Persönlichkeit ein sehr allgemeines Merkmal. Sie erachtet es daher für den praktischen Kontext als spannender und hilfreicher, zu erfragen, was Personen spezifisch im Sport suchen. Genau dort setzt das sogenannte Berner Motiv- und Zielinventar (BMZI) an.

Erfolg braucht die richtige Verbindung zwischen Mensch und Sport

Das BMZI ist ein Fragebogen und enthält die persönlichen Beweggründe, die Menschen zum Sport führen – etwa Leistung, Gesundheit, Geselligkeit oder Entspannung. Wenn soziale Kontakte ein Motiv sind, läuft man lieber in der Gruppe, bei Entspannung eher alleine mit einem Podcast. Auch sonst können die Motive stark variieren: «Einige möchten Stress regulieren, andere die Figur verbessern, und wieder andere suchen den Nervenkitzel des Wettkampfs», sagt Schmid.

Menschen unterscheiden sich jedoch nicht nur in ihren Vorlieben für Aktivitäten, sondern auch in ihrer bevorzugten Trainingsintensität. Manche mögen kurze, intensive Belastungen, andere eher lange, gleichmässige Anstrengungen, sagt Schmid. Ziel ist es, die passende Sportart und Trainingsintensität zu finden, die zu diesen Motiven passt und langfristig Freude bereitet.

Das BMZI ist dabei als Einstiegshilfe für die Frage gedacht, welche die passende Aktivität sein könnte. Die Bewegungsempfehlungen des Bundes können gemäss Schmid zu Beginn abschreckend wirken, speziell für inaktive Menschen. Für Erwachsene werden pro Woche mindestens 150 bis 300 Minuten Bewegung mit mittlerer Intensität oder 75 bis 150 Minuten bei hoher Intensität empfohlen. «Es hilft, klein anzufangen, eine Routine aufzubauen und dann nach und nach aufzustocken», sagt Julia Schmid.

Nach dem Einstieg helfe das «Trial and error»-Prinzip, um zu finden, was zu den Zielen und Motiven passe. Traditionelle Sportkurse orientieren sich gemäss Julia Schmid teilweise noch zu wenig an den Beweggründen. «Oft werden vermeintlich homogene Gruppen mit dem Alter differenziert, beispielsweise ‹fit ab 60 Jahren›», sagt sie. Dabei könne die Vielfalt, die der Sport biete, besser genutzt werden, um Passung zwischen den Motiven eines Menschen und der Sportaktivität herzustellen.

Ob Persönlichkeit oder Motivation und Ziele – wer Sportart und Intensität passend wählt, trainiert mit mehr Freude. Und der Spass an sportlicher Betätigung hilft auch im Kampf gegen die Bequemlichkeit. Vollkommen befreien können wird man sich davon aber nicht. Das zeigt sich auch am Beispiel von David Goggins.

Der ehemalige Navy Seal schaffte 4030 Klimmzüge in 24 Stunden und lief trotz mehrfachen Knochenbrüchen ein 160-Kilometer-Rennen zu Ende. Selbst er sagt: «Manchmal starre ich meine Laufschuhe einfach eine halbe Stunde an.» Am Ende geht er aber doch joggen.

nzz.ch

nzz.ch

Ähnliche Nachrichten

Alle News
Animated ArrowAnimated ArrowAnimated Arrow