Warum ein englischer Amateurklub von hunderten Spaniern abgefeiert wird: Was heißt Heimspiel auf Spanisch?


Nein, Verhältnisse wie am Mittelmeer herrschen aktuell nicht in Market Harborough. Mitten in England, zwischen Birmingham und Peterborough, wird es in den nächsten Tagen selten über 20 Grad warm, meistens regnet es. So wie sich das Ende Juli in den Midlands gehört. Umso überraschender, dass die örtliche und überregionale Presse schon im April von "mediterranen Verhältnissen" in der Kleinstadt schwärmte. Urplötzlich waren hunderte Spanier eingefallen in den Ort nahe des Rockingham Forest. Warum? Sie alle waren Anhänger eines englischen Siebtligisten. Beziehungsweise: Häh?!
Pete Dougan, Präsident von Harborough Town, war an diesem Wochenende im April jedenfalls begeistert. „Es war ein großartiger Tag, und die Atmosphäre, die sie schufen, war hervorragend“, sagte er gegenüber The Sun zum unerwarteten Besuch.
Der perfekte Verein mit den richtigen WertenDabei hätten Dougan und Vereinskollegen frühzeitig erkennen können, was da auf sie zukommen würde. 440.000 Abonnenten hat der YouTube-Kanal „La Media Inglesia“, der zumeist britischen Fußball für spanisch sprechende Zuseher aufbereitet. Und dessen Gründer Ilie Oleart vor einigen Monaten die Idee verfolgte, irgendeinen Verein auf der Insel genauer unter Lupe zu nehmen. Die Wahl fiel auf: Harborough Town.
Immerhin hatte der Siebtligist im vergangenen Sommer nicht nur zum ersten Mal seit 50 Jahren die zweite Runde des FA-Cups erreicht. Sondern mit dem brasilianischen Altinternationalen Sandro einen Spieler im Team, der vor 15 Jahren für über acht Millionen Euro zu Premier-League-Klub Tottenham gewechselt war. „Ich habe mich im September mit Leuten aus dem Verein getroffen, um mehr über ihre Geschichte, die Stadt und die Einrichtungen zu erfahren“, erklärte Ilie. „Wir waren der Meinung, dass sie der perfekte Verein mit den richtigen Werten sind.“ Was offenbar auch hunderte andere Spanier dachten, als sie im April plötzlich in der Kleinstadt auftauchten und das Spiel gegen St. Ives Town zur iberischen Party machten.
Doch aus der Stippvisite wurde weit mehr. Schon im April, nachdem die unerwartete Fanschar die Haupttribüne gefüllt hatte, dachten die Verantwortlichen der „Bees“ laut über einen Gegenbesuch nach. Ein Plan, der nun in der Sommervorbereitung in die Tat umgesetzt wurde. Und weshalb der englische Siebtligist zum Trainingslager in wärmere Gefilde flog, nach Madrid – immer verfolgt von hunderten spanischen Fans.
Statt Nieselregen also 40 Grad im Schatten. Und während die Briten ihr Heimspiel in der Ferne mit einem Spiel gegen eine Auswahl arbeitsloser, spanischer Fußballer, einer öffentlichen Trainingseinheit und einem Test gegen einen spanischen Drittligisten begingen, flippten die heimischen Anhänger aus. „Alle waren begeistert, als wir in Harborough waren“, erinnerte sich Ricardo Pan aus A Coruña, der hunderte Kilometer nach Madrid fuhr, um die Amateurmannschaft erneut zu sehen. „Nach dem Spiel haben wir mit den Spielern und einigen Fans ein paar Bier getrunken. Wir haben fast zwei Stunden lang gesungen und gejubelt, es war einfach unglaublich.“
Über 1.000 Zuschauer kamen zum letzten Test gegen den Drittligisten AD Alcorcón. Und nicht nur das: Die Amateure überzeugten, gewannen völlig überraschend mit 1:0. „Für uns ist das ein Riesenerfolg, und ich glaube, Alcorcón hat nicht erkannt, wie gut wir sein würden“, erklärte Trainer Mitch Austin. In einer Woche beginnt die Spielzeit in England. Austin glaubt, sein Team sei der Favorit in der kommenden Saison. Möglicherweise auch, weil der Klub immer mal wieder auf die Unterstützung hunderter spanischer Fans wird setzen können.
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