Reis ist wieder auf dem Weg zum Anführer
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Die Leidenszeit von Ludovit Reis seit seiner schweren Muskelverletzung betrug drei Monate. Tatsächlich dauerte sie eineinhalb Jahre an. Seit sich Hamburgs Mittelfeldmotor im Sommer 2023 an der Schulter verletzte, war er auf der Suche nach dem Rhythmus. Jetzt scheint er ihn wieder gefunden zu haben.
Gegen Kaiserslautern erstmals wieder in der Startelf: Ludovit Reis. IMAGO/Claus Bergmann
Weil Sebastian Schonlau nur auf der Bank saß, wurde das Startelf-Comeback in doppelter Hinsicht zu einem besonderem Anlass: Reis, offizieller Vize-Kapitän, durfte den HSV am vergangenen Freitagabend gegen Kaiserslautern mit der Spielführerbinde aufs Feld führen. Und dirigierte im Mittelfeld wieder auf seine Weise. Dem 24-Jährigen gelang zu Beginn noch nicht alles, mit fortlaufender Spielzeit und spätestens in der zweiten Hälfte war er wieder in seinem Element, gewann Zweikämpfe, schleppte die Bälle durchs Mittelfeld. In der Entstehung des zweiten Treffers von Davie Selke spielte er seine ganze Qualität aus, schüttelte mehrere Lauterer energisch ab, steckte dann den Ball zum Mittelstürmer durch - ein Ausdruck, dass er wieder auf dem Weg zu jener Stärke ist, die ihn vor knapp zwei Jahren in den Fokus mehrerer Bundesligisten gebracht hatte.
"Ich fühle mich wieder leicht und bin bei 100 Prozent"Nach dem gescheiterten Aufstieg 2023 hatte sich der Niederländer trotz Ausstiegsklausel für das Oberhaus zum HSV bekannt, dann begann die Verletzungsmisere und die ständige Suche nach dem Rhythmus. Und plötzlich auch die nach der zentralen Position. Unter Steffen Baumgart wurde Reis immer wieder auf der rechten Außenbahn postiert, sollte von dort zwar ins Zentrum ziehen, fremdelte aber sowohl mit dem damaligen Coach als auch mit dessen Rollenspiel für ihn. Die Folge: Ein Beraterwechsel im zurückliegenden Sommer, verbunden mit dem Ziel, nach dem erneut verpassten Aufstieg mit dem HSV zumindest persönlich eine Liga nach oben zu klettern. Statt eines Wechsels im Spätsommer aber folgte die Muskelverletzung im Herbst. Und der erneute Kampf ums Comeback. Bis zum Freitag.
Das Vertrauen von Merlin Polzin in Reis war immer groß, gegen Kaiserslautern konnte er nach vier Joker-Einsätzen erstmals und endlich auch wieder als Bestandteil der Startelf zurückzahlen. "Ich fühle mich wieder leicht und bin bei 100 Prozent", sagt er selbst. "Das Gefühl auf dem Platz war wieder gut, ich habe Kontrolle über meinen ganzen Körper gehabt." Das erhöht die Wahrscheinlichkeit auf einen Verbleib in der Anfangsformation. "Wenn Ludo fit ist", hatte Polzin unlängst erklärt, "ist er für uns in dieser Liga ein besonderer Spieler." Und auch der Coach registrierte zuletzt die Rückkehr des Selbstverständnisses nach langem Leidensweg. "Er fühlt sich frei und fühlt sich leicht und ist dynamisch." Genau das wurde beim Startelf-Comeback gegen Kaiserslautern sichtbar.
kicker