BVB doch in der Champions League? Von der Rückkehr der Dortmunder Leichtigkeit

Als der Ball im Tor lag, trat Karim Adeyemi zu. Der Offensivmann von Borussia Dortmund hatte mit seinem zweiten Treffer des Abends in der 73. Minute den 4:0-Endstand im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg besorgt. Das Dortmunder Stadion bebte, und Adeyemi war so elektrisiert, dass er mit dem linken Fuß ausholte und mit Wucht die Eckfahne aus der Verankerung trat. Ohne Eckfahne allerdings kein Spiel, deshalb musste Adeyemi handwerklich tätig werden und sie zurück in ihren ursprünglichen, aufrechten Zustand versetzen. Erst dann konnte Schiedsrichter Felix Brych das Geschehen wieder freigeben.
Wer wollte, konnte der Szene Symbolwert beimessen, denn nicht nur Adeyemi musste einen selbst verursachten Schaden beheben. Auch sein Verein ist gerade dabei, zu reparieren, was er zuvor kaputt gemacht hatte. Die Dortmunder haben über weite Strecken eine verheerende Saison gespielt, waren der Abstiegszone zwischenzeitlich näher als den Champions-League-Rängen, doch rechtzeitig zum Finale der Spielzeit sind sie in Form gekommen. Der klare Sieg gegen wenig ambitionierte Wolfsburger war die sechste Partie nacheinander ohne Niederlage – eine solche Serie gelang den Dortmundern zum ersten Mal in dieser Saison.

Karim Adeyemi vs. Dortmunder Eckfahne: Jubel nach dem Tor zum 4:0.
Quelle: IMAGO/DeFodi Images
Als Lohn für das späte Aufblühen ist die zwischenzeitlich fast schon aussichtslose Champions-League-Qualifikation wieder realistisch. Das 4:0 vor eigenem Publikum hob den BVB zum ersten Mal seit dem dritten Spieltag wieder in jene Tabellenzone, die zur Teilnahme an der Königsklasse berechtigt, zumindest vorübergehend. Bis zur Partie des SC Freiburg gegen Bayer Leverkusen am Sonntag (17.30 Uhr, DAZN) stehen die Dortmunder auf dem vierten Platz.
Entsprechend ausgelassen war nach Abpfiff das Ambiente im Stadion. Die BVB-Profis versammelten sich vor der Südtribüne, synchron zu den Fans hüpften sie auf und ab, auch die Kinder der Fußballer wuselten durchs Bild. Bei dem Verein ist zum Ende der Saison eine Leichtigkeit eingekehrt, wie man sie noch vor ein paar Wochen für unmöglich gehalten hatte. „Das ist das Schöne am Fußball: Die Dinge können sich relativ schnell ändern“, sagte Trainer Niko Kovac am Sky-Mikrofon.
Er ist der Mann, der den schwarz-gelben Umschwung zu verantworten hat. Als er im Februar ins Amt kam, als Nachfolger des überforderten Nuri Sahin, war seine Mission, den BVB zu stabilisieren, ihm seine extremen Leistungsschwankungen auszutreiben. Das scheint ihm – mit einigem Anlauf – gelungen zu sein. Die Dortmunder spielen keinen Zauberfußball, stehen aber solide und können sich auf ihre Stärke im Angriff verlassen.
So war es auch gegen Wolfsburg. Nach dem 1:0 durch Torjäger Serhou Guirassy in der dritten Minute war die Partie lange ausgeglichen, der VfL war dem 1:1 näher als Dortmund dem zweiten Treffer. Mit seinem 2:0 nach einer Stunde allerdings brach Guirassy den Wolfsburger Widerstand – und eröffnete eine berauschende Dortmunder Schlussphase, in der Karim Adeyemi mit zwei Toren den Endstand herstellte.
Trainer Kovac mahnte hinterher durchaus zurecht, dass der Sieg eine Nummer zu hoch ausgefallen sei. Doch nachdem die Dortmunder im Laufe der Spielzeit immer wieder neue Wege gefunden hatten, um Punkte zu verschenken, ist es eine gute Nachricht, dass sie im Moment verlässlich jeden Zähler mitnehmen. Neben der bekannten Wucht im Angriff präsentierte der BVB gegen Wolfsburg auch eine neue Qualität: Zum ersten Mal seit dem 1. März (2:0 bei St. Pauli) blieb die Mannschaft ohne Gegentor.
Das Stadion sang schon während der Partie Lieder vom Europapokal, doch die Champions-League-Zulassung ist noch längst nicht gesichert. „Die Mannschaft ist auf einem richtig guten Niveau, aber wir müssen weitermachen“, sagte Kovac mit Blick auf die beiden letzten Spiele der Saison bei Bayer Leverkusen und zu Hause gegen Holstein Kiel. Erst danach wird klar sein, ob dem BVB die Rettung der Spielzeit ebenso gelungen ist wie Karim Adeyemi die Reparatur der Eckfahne.
rnd