Borussia Dortmund unter Niko Kovac: So ruhig wie lange nicht mehr

Ist es nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm? Oder eine Stille, der man bei Borussia Dortmund tatsächlich mal trauen kann? Der Saisonstart des Fußball-Bundesligisten, bei dem es sonst so turbulent zugeht, stellt die Verantwortlichen jedenfalls vorerst zufrieden.
Ruhig war es übrigens in beide Richtungen. Alarmierende Ausschläge gab es weder nach oben noch nach unten. Das heißt im Dortmunder Umfeld etwas. Die erste Pokalrunde bei Rot-Weiss Essen (1:0) wurde erledigt, wie sie eben zu erledigen war: als Pflichtaufgabe. In der Bundesliga ging es mit dem 3:3 beim FC St. Pauli, als in der Schlussphase in Unterzahl eine 3:1-Führung verspielt wurde, holprig los. Das Ergebnis hinterließ allerdings keine bleibenden Schäden.
Auf ein 3:0 gegen Union Berlin folgte auswärts ein 2:0 nach mehr als einstündiger Überzahl gegen den 1. FC Heidenheim. Macht sieben Punkte aus drei Ligapartien sowie das Weiterkommen im Cup-Wettbewerb.
Zwar waren die vier bisherigen Gegner keine Hochkaräter. Ein positiver Trend ist unter Trainer Niko Kovac dennoch erkennbar. Und in diesen Trend spielt bereits die Tatsache hinein, dass der BVB an diesem Dienstag (21 Uhr, Amazon Prime Video) bei Juventus Turin überhaupt in der Champions League starten darf. Denn als Kovac im Februar zu den Schwarz-Gelben kam, war die Mission Königsklasse unwahrscheinlicher als eine staufreie A1 im Feierabendverkehr.
Zunächst lief es unter dem 53 Jahre alten Nachfolger von Nuri Şahin, der am Montag als neuer Chefcoach beim Istanbuler Spitzenklub Basaksehir FK vorgestellt wurde, sogar schlechter als vorher. Hatte Kovac bei vier Punkten Rückstand auf Platz vier übernommen, waren es gut einen Monat nach seinem Amtsantritt schon zehn Zähler. Weil im Endspurt aber Sieg an Sieg gereiht wurde, gelang die Qualifikation für den höchsten europäischen Wettbewerb gerade so, zum zehnten Mal in Folge.
Seither zeigt die Kurve nach oben. Bei der Klub-Weltmeisterschaft gelang der Einzug ins Viertelfinale, dort war Real Madrid eine Nummer zu groß. Das Fazit fiel dennoch positiv aus. „International war in den vergangenen beiden Jahren keine deutsche Mannschaft besser als wir“, bilanzierte Sportgeschäftsführer Lars Ricken den Auftritt in den USA.
Lars Ricken
BVB-Sportgeschäftsführer
Tatsächlich überstrahlt der Revierklub den FC Bayern, der ebenfalls im Viertelfinale der Klub-WM scheiterte. Beide hatten in der Vorsaison auch in der Königsklasse die Runde der letzten Acht erreicht. Aber: Dortmund stand 2024 im Finale, während die Münchner im Halbfinale scheiterten.
Mit der Verpflichtung von Jude Bellinghams jüngerem Bruder Jobe sowie den Späterworbenen Carney Chukwuemeka (FC Chelsea, in der Rückrunde bereits ausgeliehen) und Fabio Silva (Wolverhampton) lief auch das Wechselfenster für Manager Sebastian Kehl deutlich ruhiger als beim Südrivalen.
Wie stabil das sportliche schwarz-gelbe Gebilde tatsächlich ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Beginnend in Turin – gegen den Kontrahenten, an den man sich in Dortmund verbunden mit dem Champions-League-Titel 1997 gern erinnert, weil Juve damals der unterlegene Finalgegner der Borussia war (3:1).
In Norditalien, wo Mittelfeldspieler Pascal Groß krank fehlen wird, wird es 2025 auf einen besonders ankommen: Serhou Guirassy. Der Torjäger, den Kovac als „Anker“ bezeichnet, war fünfmal in den vier bisherigen Spielen erfolgreich. Und der Guineer meldete sich auch fit, obwohl ihn zuletzt Schulterprobleme plagten.

Von Guirassy hängt einiges ab, auch Kollegen wie Maximilian Beier sind gut drauf. Der Angreifer traf in Heidenheim – fiel dann aber mit einer Meisteransage beim Coach negativ auf. „Man sieht, dass der Junge erst 22 ist. Ich bin ein bisschen älter, auf das Glatteis lasse ich mich nicht führen“, so Kovac.
Der BVB-Übungsleiter, dessen konsequenter Umgang mit seinen Profis ebenso wie sein unkomplizierter Spielstil bisher Früchte tragen, weiß als knallharter Realist um die Probleme, die sein Team noch hat. Etwa, was den Spielaufbau mit einem bisher wenig überzeugenden Zentrum angeht.
Zum echten Störfaktor wird das hingegen nicht. Selbst die Unruhe im Hintergrund – der scheidende Klubchef Hans-Joachim Watzke kandidiert nach einem zwischenzeitlichen Machtkampf mit Amtsinhaber Reinhold Lunow für die Präsidentschaft im Gesamtverein – ist spürbar beruhigt, nachdem Lunow erklärt hatte, auf eine neuerliche Kandidatur verzichten zu wollen.
Für einen Aufreger muss in Dortmund derzeit dann schon das farblich gewöhnungsbedürftige Auswärtstrikot herhalten.
rnd